Driburger Kreis
22.09.2010-24.09.2010, Maastricht (NL)
Deadline: 31.07.2010
Der Driburger Kreis findet in diesem Jahr vom 22. bis 24. September 2010 im Vorfeld der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Geschichte der Medizin, Naturwissenschaften und Technik e. V. sowie der Jahrestagung der Gesellschaft für Technikgeschichte e. V. in Maastricht (NL) statt.
Der Driburger Kreis richtet sich an Studierende, Promovenden und Nachwuchswissenschaftler, die zu medizin-, wissenschafts- oder technikhistorischen Fragestellungen arbeiten. Darüber hinaus ist die Teilnahme von Interessenten aus anderen Disziplinen wie den Kulturwissenschaften, der Soziologie, der Philosophie u. a. ausdrücklich erwünscht und würde nicht allein zum diesjährigen Rahmenthema einen breiteren interdisziplinären Austausch anregen und befördern helfen.
Das Treffen des Driburger Kreises stellt weder der Form noch dem Ziel nach eine übliche Fachtagung dar. Der Driburger Kreis versteht sich vielmehr als ein informelles Forum, auf dem neben dem Rahmenthema auch Probleme, Schritte und Ergebnisse eigener Arbeiten und Forschungsprojekte vorgestellt und in einer konstruktiven Atmosphäre diskutiert werden können. Zur Ermöglichung von produktiven Sitzungen für alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer bitten wir darum, dass die Einzelreferate den Zeitrahmen von 25-30 Minuten nicht überschreiten.
Das diesjährige Rahmenthema lautet: Unsichtbares sichtbar machen
Was haben ein Röntgenbild, ein Rohrschach-Test bzw. eine Rohrschach-Karte, ein genealogischer Stammbaum, die photographische Abbildung eines Virus, ein Säulendiagramm und ein elektrischer Schaltkreis gemeinsam? Auf den ersten Blick handelt es sich um völlig unterschiedliche Dinge, doch sie alle machen Unsichtbares sichtbar. Alle genannten Beispiele stellen auch Teil eines Entdeckungsprozesses dar:
Das Mikroskop macht den Mikrokosmos von Kleinstlebewesen sichtbar; unter der (Haut-)Oberfläche wird Verborgenes und Zugedecktes wie beispielsweise die Strukturen von Zellen und Gewebe entdeckt; Schaltkreise, Diagramme und Charts veranschaulicht Prozesse und Beziehungen.
Die Sichtbarmachung des Unsichtbaren ist nicht nur ein Prozess der Visualisierung, eine Serie von neuen Entdeckungen, sondern es ging (und geht) um die Entmystifizierung des Unbekannten, des Verborgenen. Wie die Entdecker zuvor unbekannte Länder erkundet und erforscht hatten, drangen die Wissenschaftler in den Mikrokosmos und in virtuelle Welten vor und kartographierten diese. Mit der Darstellung von Zellen, Bakterien, Stammbäumen oder Strömungen erhielten diese Gegenstände (als Forschungsobjekte) überhaupt erst eine eigene Realität. Die Zeichnung oder Photographie von Mikroorganismen, spektraler Wellen oder allgemeiner die Modellierung dieser virtuellen Welten war jedoch in seiner Performativität ein höchst prekärer Akt. Die Wissenschaftler waren sich dieser Problematik bewußt und um „Objektivität“ bemüht, die die neuen Welten auch für Andere erschließen bzw. überhaupt deren Existenz beweisen sollte. Diese Sichtbarmachung des Unsichtbaren trug wesentlich zur „Entzauberung der Welt“ bei und war Motor und essentieller Bestandteil einer neuen Sachlichkeit, einer neu angebrochenen Moderne. Hierbei beschränkte sich die Sichtbarmachung von Unsichtbarem nicht allein auf den Mikrokos¬mos, sondern auch und vor allem auf Prozesse und Entwicklungen in einer komplexer werdenden Welt, zu deren Erfassung visuelle Hilfen, zumeist zur Vereinfachung, benötigt wurden.
Im Prozess der Visualisierung wurden bewusst oder unbewusst Vorannahmen, Deutungsmuster sowie kulturelle und gesellschaftliche Vorstellungen perpetuiert. Damit ist die Sichtbarmachung des Unsichtbaren nicht nur ein Prozess, der wissenschaftliche Erkenntnisse widerspiegelt, sondern diese im Verhältnis in seiner Zeit kontextualisiert. Daher sind Zeichnungen, Modelle oder Schaltkreise vielmehr als bloße Illustration.
Die Sichtbarmachung des Unsichtbaren ist über Jahrhunderte in allen Wissenschaften zu beobachten, z. B. bei der Visualisierung von Kräften oder Licht. Der Call for Papers soll daher Projekte ansprechen aus der Technikgeschichte wo es beispielsweise um die Sichtbarmachung von Elektrizität, Spannung oder Lichtwellen geht, der Geschichte der Photographie oder der Computergeschichte. Darüber hinaus richtet sich der Call an Projekte aus der Geschichte der Naturwissenschaften, wo es zum Beispiel in der Physik um die Darstellung von Atomen und deren Modelle gehen könnte. In den Lebenswissenschaften wäre an Beispiele zu denken, wo es um die Erforschung von Zellstrukturen und Mikroorganismen geht, um die Anatomie mit der Erkundung von Strukturen unter der sichtbaren Hautoberfläche oder der Psychiatrie. Zudem richtet sich der Call an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die zur Geschichte der Soziologie oder der Bevölkerungswissenschaften arbeiten, wo es um soziale Beziehungen von Einzelnen oder der Gesellschaft geht oder um gesellschaftliche Prozesse.
Axel C. Hüntelmann (Bielefeld)
Anmeldung mit Themenvorschlägen und einem kurzen Exposé (ca. 20 Zeilen) bis zum 31.7.2010 bei: Susan Splinter, Medizinhistorisches Museum Ingolstadt, Anatomiestrasse 18-20, 85049 Ingolstadt, e-mail: susan.splinter[at]ingolstadt.de.
Wer sowohl am Driburger Kreis als auch an der Tagung der DGGMNT teilnimmt und als Studierender oder Doktorand über kein eigenes Einkommen verfügt, kann einen finanziellen Reisekostenzuschuss erhalten. Dieser Zuschuss ist ebenfalls bis zum 31.7.2010 unter Angabe eines betreuenden Hochschullehrers beim Vorsitzenden der DGGMNT zu beantragen: Prof. Dr. Andreas Fickers, Faculty of Arts and Social Sciences, Maastricht University, Grote Gracht 90-92, NL-6200 MD Maastricht, Email: a.fickers[at]maastrichtuniversity.nl.
Timo Engels, Axel C. Hüntelmann, Susan Splinter