Datum: 5. bis 7. März 2015
Ort: Institut für Europäische Ethnologie, Wien, Österreich
Ende des CfP: 15. Mai 2014
Do-it-yourself (DIY) boomt seit Jahren: individuell und kollektiv organisiert, als gewichtiger ökonomischer Faktor für Handel und Zulieferindustrien, als kulturell-künstlerisches und soziopolitisches Instrument und Ausdrucksmittel, in Ausstellungen und wissenschaftlichen Analysen, die deutlich auf Radical Crafting, auf das Selbermachen mit politisch-künstlerischem Anspruch fokussieren und demgegenüber die ökonomischen ebenso wie die historischen Dimensionen des Phänomens vernachlässigen. Dabei stellt sich grundsätzlich die Frage, was einen Boom ausmacht, wie sich Boom – als Diskurs verstanden – und Praxis – im Sinne individuell und kollektiv gepflegter Tätigkeiten – zueinander verhalten.
DIY ist Praxis und Forschungsgegenstand in einer Schnittmenge zahlreicher Interessen und dementsprechend auch vielfältiger Praktiken – sowohl der Aneignung und Produktion als auch der Reflexion und Forschung. Im Hintergrund der Argumentationen derer, die DIY praktizieren und derer, die diese Praktiken analysieren (nicht selten in Personalunion) wirken unterschiedlichste Diskurse (unterschiedlich stark) – etwa jene des neuen DIY, von Flow oder Empowerment, Vorstellungen des traditionellen (weiblichen) Handarbeiten und der Liebesarbeit, der modernen Geschenkkulturen, des Bastelns der (männlichen)Technikfreaks, der Dilettanten und Amateure, Diskurse der Kritik rund um Massenkonsum und Massengeschmack, der Nachhaltigkeit oder sozioökonomischen Verantwortung des Einzelnen für diese eine Welt.
Es geht uns um eine Revision im mehrfachen Wortsinn: um die kritische Diskussion bisheriger Forschung zum Themenfeld mit dem Ziel, Fragen und Perspektiven, Methoden und Theorien zu erweitern, um die, in ihrer Vielfalt und Vieldeutigkeit bislang eher vernachlässigten Phänomene rund um DIY empirisch fundiert analysieren und interpretieren zu können. Dabei verstehen wir das Thema DIY als heuristische Chance, denn in der konkreten, sozial differenzierenden Betrachtung der spezifischen Praktiken, die auch die historische Dimension und ökonomische Situation einbezieht, zeigt sich die Fragwürdigkeit binärer Oppositionen wie Arbeit und Freizeit, Hand- und Kopfarbeit, formaler und informeller Ökonomie, privat und öffentlich, funktional und ästhetisch und vor allem männlich und weiblich.
Daraus ergibt sich unser Interesse an folgenden Perspektiven, Fragen und Methoden:
Do-it-yourself: Annäherung über das Tun und die AkteurInnen
– Modi und Prozesse des Tuns, Fertigens, Machens, Produzierens, Sich-Beschäftigens, Reparierens, des Zeigens und Ausstellens, die sowohl individuell/idiosynkratisch sind, als auch sozial, nach außen und auf Andere gerichtet, performative Praxis, als Initial und Motor für Formen der Geselligkeit
– DIY als außerberufliche/müßige Praxis (Selbstentfaltung, Vergnügen), zur Sicherung wirtschaftlicher Existenz (DIY-Nischenökonomien)
– als Praxis des Lehrens und des Lernens (Volkshochschulkurse, Workshops auf Reisen)
– das „Tun“, das „Fertigen“, das „Machen“, „Produzieren“, die Sprachregister, Wortfelder und Texte um diese Handlungen und Aktivitäten
– das konkrete Tun in spezifischen räumlichen Kontexten (Garage, Küchentisch, Fab-Lab, Zug), auch die Räume des Konsums von Werkzeugen und Materialien (Baumärkte, Wollcafés, Versandhandel)
– das Tun in spezifischen zeitlichen Konstellationen des Tagesablaufs (Pause, Feierabend), der Jahreszeiten (Weihnachten), in bestimmten biographischen Konstellationen, in historischen Phasen (Kriegs- oder Nachkriegszeiten)
– Selbst- und Weltdeutungen sowie Fragen nach den emotionalen, ästhetischen, sozialen etc. Qualitäten, die mit diesem Tun verbunden werden („Flow“), nach den Formen von Wissen und den Fertigkeiten, die hier entwickelt, auch kommuniziert werden
Do-it-yourself: Annäherung über das Handgemachte, die gefertigten Dinge
– der Kosmos der Selbstgemachten
– der Status des Gemachten im Alltag oder als nicht alltäglich
– das Handgemachte als Geschenk
– die Rolle von Materialitäten und deren Aufladungen, Gendering und/über Materialitäten
– die gefertigten Dinge als Produkte, als Waren einer spezifischen Form von Ökonomie- das Nichtfertige, das Halbfertige, das Ungenutzte und Ungeliebte
Do-it-yourself als Gegenstand aktueller Diskurse
– zwischen Instrumentalisierungen und Romantisierungen – etwa in (sozial-)pädagogischen Programmen (Schule), in therapeutischen oder psychosozialen Angeboten (Reha-Kliniken), in politischen und feministischen Diskursen und Aktionen oder (historisch) in Arts-and-Crafts-Bewegungen
– verbunden mit spezifischen Medien und Kommunikationswegen (Frauenzeitschriften, Internet), mit medial verdichteten Ikonographien (Filmbilder, Belletristik), mit spezifischen Genres der Unterhaltung und der Wissensvermittlung
Bevorzugte Arbeitsweisen und Ansätze:
– ethnographisch, mikrologisch, in historischer Perspektivierung
– an konkreten Konstellationen und deren historischen Rahmungen ausgerichtet
– vergleichend, zumal in historischer Perspektive, aber auch kulturell-räumlich
– in Verbindung mit Fragen nach einem Gendering/Regendering/Degendering
Die Veranstalterinnen laden herzlich zu Diskussionsbeiträgen zu den skizzierten Fragen ein, zu Beiträgen, die in bestehende Denkweisen und Praktiken eingreifen und auf Logiken und Routinen aufmerksam machen, um diese neuen Perspektiven und Reformulierungen zu öffnen.
Die Tagungssprachen sind Deutsch und Englisch; für Vorträge werden jeweils 20 Minuten sowie eine ausführliche Diskussion eingeplant. Wir freuen uns über Vorschläge zu Beiträgen. Senden Sie Ihr Abstract (max. 3.000 Zeichen) und einen kurzen CV (1 Seite) bis spätestens 15. Mai 2014 via E-Mail an Nikola Langreiter (n.langreiter[at]wortstellerei.at).
Die Autorinnen und Autoren der ausgewählten Beiträge werden Mitte Juni 2014 benachrichtigt. Wir werden uns bemühen, für vortragende Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Kosten von Reise und Unterkunft abzudecken. Wenn Sie die Möglichkeit der Bezuschussung/Finanzierung durch Ihre Institution haben, sind Sie gebeten, diese in Anspruch zu nehmen!
Die Tagung wird vom Institut für Europäische Ethnologie der Universität Wien (http://euroethnologie.univie.ac.at/) veranstaltet. Konzeption und Organisation: Nikola Langreiter, Klara Löffler
Mit Fragen wenden Sie sich bitte an Nikola Langreiter (n.langreiter[at]wortstellerei.at) oder Klara Löffler (klara.loeffler[at]univie.ac.at).—
Nikola Langreiter
n.langreiter@wortstellerei.at
www.wortstellerei.at