Historische Anthropologie: Quo vadis?
Zur Positionierung zwischen Europäischer Ethnologie und Geschichtswissenschaft
Ein Festsymposium für Burkhard Pöttler zum 60. Geburtstag
Graz | 4. Juni 2019
Das geplante Symposium zur Historischen Anthropologie verfolgt das Anliegen einer Standortanalyse der bestehenden historisch-anthropologischen Bezugspunkte zwischen Europäischer Ethnologie und Geschichtswissenschaft, verbunden mit dem Versuch eines Ausblicks auf mögliche und wünschenswerte Entwicklungen in die Zukunft.
Die Historische Anthropologie kann auf viele verschiedene Wurzeln verweisen. In ihrem interdisziplinären Ansatz vereint sie wissenschaftliche Fächer, die in der Wissenschaftsgeschichte lange Zeit als miteinander unvereinbar angesehen wurden. In der französischen Schule der „Annales“ kam es zwar schon ab den 1930er Jahren des 20. Jahrhunderts zur Verknüpfung von wirtschaftshistorischen, ethnologischen, psychologischen und soziologischen Ansätzen, außerdem gingen auch von der britischen Sozialanthropologie wichtige Impulse aus, die Anthropologie mit einer historischen Perspektive zu versehen. Aber in der deutschsprachigen Forschungslandschaft kam es erst seit den späten 1970er Jahren in Verbindung mit der aufkommenden „Alltagsgeschichtsforschung“ zu einem Aufbrechen der Disziplinengrenzen zwischen Geschichte, Soziologie und den anthropologischen Fächern.
Eine ethnologisch inspirierte Geschichtswissenschaft und die historisch arbeitende Europäische Ethnologie sind sich in ihren Grundannahmen und auch Herangehensweisen seither sehr nahegekommen. Gemeinsamer Ausgangspunkt sind das Interesse an der Historizität des Menschen und an der „Agency“ der historischen Akteure, die Perspektive auf deren konkretes Handeln, auf verstehend nachvollzogene Deutungsmuster, Selbst- und Fremdbilder. Dabei sind die vielgestaltigen Repräsentationsformen der Menschen, der Wandel von sozialen Praktiken, Kulturtechniken und materiellen Gütern gemeinsame Bezugspunkte der Fächer. Die Kulturanthropologin Carola Lipp hat 1996 fünf methodische Prämissen der interpretativen Anthropologie benannt, die in die historische Forschung Eingang gefunden haben: 1.) eine „Verfremdung“ des Blicks, 2.) eine induktive Entwicklung von Hypothesen aus dem Material heraus, 3.) eine mikroskopische Sichtweise, 4.) die Forderung nach einer emischen Perspektive, und 5.) das Ziel, die Vorstellungswelt der „Eingeborenen“ in Form von „dichten Beschreibungen“ darzustellen.
Anlass für das Symposium ist der 60. Geburtstag von ao.Univ.-Prof. Dr. Burkhard Pöttler im Mai 2019. Für das Institut für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie der Karl-Franzens-Universität vertritt Burkhard Pöttler in Lehre und Forschung die Arbeitsschwerpunkte der Erforschung materieller Kultur in historischen und rezenten Kontexten, des Bauens und Wohnens sowie der historischen Alltagskulturforschung. Darüber hinaus übernimmt er u.a. seit 2004 als CUKO-Vorsitzender wichtige administrative Aufgaben des Instituts.
Gerade im Bereich der Historischen Anthropologie, die viele seiner Arbeitsfelder durchzieht, hat sich Burkhard Pöttler regional, national und international einen Namen als herausragender Wissenschaftler gemacht. Außerdem greift er auch über den Tellerrand der Universität auf verschiedene Praxisfelder der Historischen Anthropologie aus. Diese gibt daher den thematischen Rahmen der geplanten Tagung vor.
Tagungsprogramm
Dienstag, 4. Juni 2019
14:00–14:30 Grußworte:
Dekan Michael Walter (GEWI-Fakultät, Uni Graz)
Katharina Eisch-Angus (Institut für Kulturanthropologie & Europäische Ethnologie, Uni Graz)
14:30–16:00 Vorträge:
Gudrun König (TU Dortmund): „Der Archivist. Dokumentenanalyse einer Sammlung“
Robert Pichler (Österr. Akademie der Wissenschaften): „Historisch-anthropologische Balkanforschung: Ergebnisse und Perspektiven eines transdisziplinären Forschungsfeldes“
16:30–18:00 Podiumsdiskussion: Historische Anthropologie: Quo vadis?
Moderation: Johann Verhovsek (Uni Graz)
Gudrun König (TU Dortmund)
Robert Pichler (Österr. Akademie der Wissenschaften)
Silke Göttsch-Elten (Uni Kiel)
Elke Hammer-Luza (Steiermärkisches Landesarchiv)
ab 18:00 Empfang mit Würdigung:
Gernot Obersteiner (Steiermärkisches Landesarchiv)
Helmut Eberhart (Uni Graz)
Musik & Buffet
Tagungsort:
Meerscheinschlössl Uni Graz, Festsaal, Mozartgasse 3, 8010 Graz
Organisation:
Katharina Eisch-Angus, Helmut Eberhart, Johann Verhovsek, Judith Laister, Barbara Frischling
Kooperationen:
Historische Landeskommission für Steiermark, Steiermärkisches Landesarchiv
Info:
Institut für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie, Attemsgasse 25/I, A 8010 Graz
Vera Giesen, Mail: vera.giesen@uni-graz.at, Tel. +43 316 3802581
https://kulturanthropologie.uni-graz.at/
Eine Anmeldung ist nicht nötig.
Univ.-Prof. Dr. Katharina Eisch-Angus
Institut für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie │ Institutsleiterin
Institute of Cultural Anthropology and European Ethnology | Head of Institute
Karl-Franzens-Universität Graz, Attemsgasse 25/I, A 8010 Graz, Tel. +43 (0)316 380 2585
https://homepage.uni-graz.at/de/katharina.eisch-angus/